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Frank Kafka
Erzählungen
Quelle: www.digbib.org/Franz_Kafka_1883/Erzaehlungen
Erstellt am 11.08.2005
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Auf der Galerie
Wenn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreiterin in der Manege auf schwankendem Pferd
vor einem unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef
monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde schwirrend,
Küsse werfend, in der Taille sich wiegend, und wenn dieses Spiel unter dem nichtaussetzenden
Brausen des Orchesters und der Ventilatoren in die immerfort weiter sich öffnende graue Zukunft
sich fortsetzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellenden Beifallsklatschen der Hände,
die eigentlich Dampfhämmer sind - vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange
Treppe durch alle Ränge hinab, stürzte in die Manege, rief das - Halt! durch die Fanfaren des immer
sich anpassenden Orchesters.
Da es aber nicht so ist; eine schöne Dame, weiß und rot, hereinfliegt, zwischen den Vorhängen,
welche die stolzen Livrierten vor ihr öffnen; der Direktor, hingebungsvoll ihre Augen suchend, in
Tierhaltung ihr entgegenatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel hebt, als wäre sie seine über
alles geliebte Enkelin, die sich auf gefährliche Fahrt begibt; sich nicht entschließen kann, das
Peitschenzeichen zu geben; schließlich in Selbstüberwindung es knallend gibt; neben dem Pferde
mit offenem Munde einherläuft; die Sprünge der Reiterin scharfen Blickes verfolgt; ihre
Kunstfertigkeit kaum begreifen kann; mit englischen Ausrufen zu warnen versucht; die
reifenhaltenden Reitknechte wütend zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem großen Salto
mortale das Orchester mit aufgehobenen Händen beschwört, es möge schweigen; schließlich die
Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küßt und keine Huldigung des Publikums für
genügend erachtet; währ