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www.automagazine.de 2/2002 M A N A G E M E N T M Ä R K T E T E C H N O L O G I E N April B 30470 DIGITALE FABRIK BEI DC Johannes Rudnitzki, Dr. Hans-Joachim Schöpf, Prof. Dr. Eberhard Haller, Helmut Petri: Komplette Durchgängigkeit aller Daten bis 2005 realisiert SONDERDRUCK SPECIAL REPRODUCTION Inhaltsverzeichnis Table of Contents Digitale Fabrik bei DaimlerChrysler: Bis 2005 realisiert 4 Einkauf: Partnerschaft senkt Kosten Interview mit Johannes Rudnitzki, Leiter Materialeinkauf Mercedes-Benz Pkw und Smart 11 IT: Tipps für Lieferanten Interview mit Eberhard Cluss, Leiter IT Mercedes-Benz Pkw und Smart 12 FuE: Mehr Ideen schneller umsetzen Interview mit Dr. Hans-Joachim Schöpf, Entwicklungsvorstand Mercedes-Benz Pkw 13 Fertigung: Integration als Zukunftssicherung Interview mit Helmut Petri, Mercedes-Benz Pkw-Produktionsvorstand 14 Strategie: Mehr Effizienz durch digitale Welt Interview mit Prof. Dr. Eberhard Haller, Leiter Produktionsplanung Mercedes-Benz Pkw 15 Delmia: Dosiert einführen Interview mit Dr. Raimund Menges, Geschäftsführer DELMIA GmbH 16 Digital Factory project at DaimlerChrysler: Realized by 2005 18 Delmia: Managing the Digital Factory Interview with Dr. Raimund Menges, Managing Director of DELMIA GmbH 25 Ti telsto ry DC Digitale Fabrik / Strategie 4 In drei Jahren will DC die Digitale Fabrik realisiert sehen. Keine Pro- duktionsanlage wird dann mehr ge- plant, gebaut und betrieben, ohne zuvor vollständig digital abgesichert zu sein. Dieser Grundsatz führt zu einer Steigerung der Planungsqualität, da im Gegensatz zur konventionellen Planung sehr viel früher Lösungen zuverlässig bewertet werden können. Zusätzlich lassen sich mit wenig Aufwand und in kurzer Zeit alterna- tive Planungsszenarien entwickeln. Denn die Digitale Fabrik unterstützt die Auswahl der Erfolg verspre- chendsten Alternative zu einem sehr Bis 2005 realisiert Eine Verkürzung der Produktions-Planungszeiten um bis zu 40 Prozent bei gleichzeitig höherer Planungsqualität und Reifegrad, dies wird durch das Projekt ,Digitale Fabrik’ bei DaimlerChrysler möglich. Auch steilere Produktionsanläufe können damit erreicht werden. Ti telsto ry DC Digitale Fabrik / Strategie 5 frühen Zeitpunkt und verringert da- durch die Gefahr nachträglicher Än- derungen und Fehlinvestitionen. Insgesamt bedeutet die Digitale Fabrik eine Reduzierung von Kos- ten- und Zeitaufwand bei gleichzeiti- ger Qualitätssteigerung. Die bestehenden Digitalisierungs- ansätze in der Planung unterstützen heute im Wesentlichen die Doku- mentation der Planungsergebnisse und weniger die eigentliche Pla- nungstätigkeit. Deren Schwerpunkte liegen eher auf der Verwaltung alphanumeri- scher Daten und nicht auf geome- triebezogener Planung mit direktem Produktbezug. Der eigentliche Pro- zess der Planung mit stetiger Verfei- nerung, dem Verfolgen mehrerer Al- ternativen und der Auswahl der op- timalen Variante wird heute oft noch zu wenig unterstützt. Mit viel Erfolg konnte Daimler- Chrysler bereits eine Reihe neuer, di- gitaler Standards entwickeln. Etwa für die Umform-Simulation, die Aus- taktung von Montagelinien oder die Auslegung von Roboterzellen. Bereits Mitte 2000 setzte DC das Projekt Digitale Fabrik auf. Ziel: wei- tere Zeit- und Qualitätspotenziale im Produktentstehungs- und Planungs- prozess als Innovationsführer zu er- schließen. Konkret soll bis 2005 die vollstän- dige digitale Absicherung der Pro- duktion synchron zur digitalen Absi- cherung des Fahrzeugs erreicht wer- den. Bildlich gesprochen muss also zukünftig jedes Digitale Fahrzeug die Digitale Fabrik erfolgreich – das heißt unter Erfüllung der vorgegebe- nen Kosten-, Qualitäts- und Termin- ziele – passieren. Erst danach erfolgt die Freigabe für die reale Fabrik. Die Idee beruht darauf, von An- fang an alle Arbeitsschritte, die Teile und die Produktionsmittel vor dem ersten physischen Zusammenbau gleichzeitig rechnerunterstützt zu entwickeln, zu planen und so in ih- rer Wechselwirkung zu optimieren. Die zentralen Aufgaben zur Ziel- erreichung bestehen nun darin, die heute vorhandenen, zum Teil sehr guten Insellösungen zu verbinden und die noch fehlenden Funktiona- litäten weiter auszubauen. Dies be- trifft nicht nur die Software, sondern vor allem auch die Arbeitsabläufe. Die Umsetzung der Digitalen Fab- rik ist damit kein reines Software- Projekt, sondern primär ein Prozess- thema. Durch die Digitale Fabrik las- sen sich kurze Entwicklungszeiten absichern und weitere Produkti- vitätssteigerungen durch eine Paral- lelisierung von Planungs- und Ent- ➔ E-Klasse in der Schweiß-Station: Bald wird, noch bevor ein Roboter gebaut oder figuriert wird, seine Effizienz am Bildschirm nachge- wiesen und optimiert. Bilder: DC Die AP-Autoren Dr. Emmerich F. Schiller; links geboren am 9. Mai 1966 in Übach-Palenberg 1993 Diplom in Wirtschaftsinge- nieur-Wesen 1993-1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation 1998 Promotion zum Dr.-Ing. in Maschinenbau und Einstieg in die Daimler-Benz AG 1998-1999 Werkleitungs- Assistent im Werk Rastatt 1999-2000 Direktionsassistent Produktionsplanung Mercedes- Benz PKW, Sindelfingen seit 2001 Leiter der Abteilung Di- gitale Produktionsplanung und Projektleiter Digitale Fabrik Wolf-Peter Seuffert geboren am 21. Februar 1952 in Stuttgart 1975 Diplom in Mathematik, Uni- versität Stuttgart 1977 Eintritt in die Daimler-Benz Aktiengesellschaft 1988 Leiter der Abteilung ,System- gestaltung 3’ 1991 Leiter der Abteilung ,System- gestaltung Logistik’ 1996 Leiter der Abteilung ,System- gestaltung kaufmännische Systeme, Planungsprozesse’ 1999 Leiter IT-Center of Competen- ce ,Produktionsplanung’ 2000 in der Leitung des Projekts ,Digitale Fabrik’ Ti telsto ry DC Digitale Fabrik / Strategie 6 wicklungsaufgaben erreichen. Im Vergleich zum sequenziellen Vorgehen werden so zeitraubende Änderungsschleifen vermieden. Pro- duktionsbelange können deutlich früher in die Entwicklung einfließen. Mit zunehmender Parallelisierung steigen aber auch die Komplexität und der Koordinationsaufwand. Um sie zu beherrschen, müssen die ein- zelnen Prozesse definiert und ver- bindlich eingehalten werden. Dieses leistet das Mercedes-Benz Development-System (MDS). In ihm sind alle Aktivitäten von der Entwick- lung und Planung über die Werke und Lieferanten bis hin zum Vertrieb inhaltlich beschrieben und terminiert. Die Grundlage des MDS bilden so genannte Quality Gates. Dies sind Meilensteine, an denen zu festgeleg- ten Zeitpunkten der Prozessfortschritt definiert und damit messbar ist. Für jedes Quality Gate ist genau festge- legt, welche internen und externen Partner welche Umfänge in welcher Qualität zu erbringen haben. Im Grundsatz ermöglicht die Digi- tale Fabrik eine Steigerung des Pla- nungs-Reifegrades sowie eine Redu- zierung von Planungsdauer und -kosten. Im Vergleich zur konventio- nellen Planung kann sehr viel früher bewertet und gezielter optimiert werden. Dies kommt vor allem dann zum Tragen, wenn Abhängigkeiten zwi- schen einzelnen Zielgrößen bestehen. Zum Beispiel bei der Flächen- und der Logistikplanung. Oder wenn die Komplexität so groß ausfällt, dass sie konventionell nur schwer beherrscht werden kann. Zum Beispiel bei der Vermeidung von Kollisionen im Ge- bäude-Planungsbereich oder bei der Auslegung von Roboterzellen. So lassen sich nicht nur Planungs- fehler deutlich reduzieren, sondern die Güte der Planung selbst wird ver- bessert. Dies trägt zu einer weiteren Absicherung der Produktionsprozes- se und damit zur Premiumqualität von Mercedes-Benz bei. Die Effekte lassen sich dabei in zwei Bereiche einteilen: Potenziale, die sich während der Produkt- und Produktionsentste- hungsphase einstellen, sind zunächst Effizienzsteigerungen in den eigent- lichen internen und externen Pla- nungsbereichen. Mit der Digitalen Fabrik soll die Produktions-Planungszeit um bis zu 40 Prozent verkürzt werden, bei gleichzeitig höherer Planungsqua- lität und Reifegrad. Weiterhin wirken sich digitale Planungsverfahren zur Absicherung der Herstellbarkeit unmittelbar auf einen höheren Reifegrad der Pro- dukte und die Auslegung der Be- triebsmittel aus, zum Beispiel bei Presswerkzeugen. Diese können gezielter beauftragt werden, spätere Änderungskosten der Werkzeuge oder Konstruktions- änderungen an den Bauteilen wer- den vermieden. Zur Reduktion von Investitionen trägt eine bessere und abgesicherte Planung sowie die Nutzung von Stan- dardelementen, zum Beispiel bei An- ➔ Referenzdaten (Vorgängermodell) Entwicklung (EP) CAD-Daten DMU Prozess- planung Zeitanalyse Bandbelegung Logistik Simulation Ergonomie Bemi-Planung 2D/3D-Layout- planung Produkt- struktur Produktionsplanung (PP) Änderungs- management Digitaler Workflow der Montageplanung Vor allem bei der Automatisierung von Planungsaufgaben wird sich die durchge- hende Digitalisierung des gesamten Produkt- Entstehungsprozesses spürbar auszahlen. Die Reifegrade von Produkt, Betriebsmittel und Werkzeugen verbessern sich. Spätere Ände- rungen an Werkzeugen, an der Konstruktion von Bauteilen und damit verbundene Kosten werden vermieden. Nach Analysen des US-Beraters AMR müssen Zulieferer aktuell zwischen 20 und 300 verschiede- ne Log-ins benutzen, um die Por- tale ihrer Geschäftspartner besu- chen zu können. Große Firmen be- zahlen für die Nutzung und den Betrieb dieser vielen Portal-Lösun- gen bis zu zwei Millionen US $ jährlich. Und das zusätzlich zu den dabei anfallenden EDI-Kos- ten. ren Groschengrab Internet Supply Network Collaboration Zusammen mit Manugistics ent- wickelte DC eine web-basierte Technologie zur Vernetzung der Lieferanten. Damit will DC mit allen Lieferan- ten Informationen über Bedarfs- änderungen, Kapazitäten und De- tailveränderungen zeitnah und in einem geschützten Bereich des In- ternets austauschen. Zwei Pilotläufe fanden bereits statt: Im spanischen Werk Vitoria wurden 22 Zulieferer (Lüfter, Tanks, Sitzanlagen) aus der ersten, zweiten und dritten Ebene ver- netzt und im US-Werk Sterling Heights insgesamt zehn (Türver- kleidungen, Sitzanlagen) bis hin- ab zur Ebene vier. Die Erfolge der Pilot-Projekte be- stätigen DC in dem Ziel, kollabora- tive E-Business-Tools künftig noch stärker in der Logistik einzuset- zen. ren Ti telsto ry DC Digitale Fabrik / Strategie 7 lagen oder Gebäudeelementen, bei. Insgesamt konnte beispielsweise der Mittelbedarf für alle derzeit bei Mercedes-Benz Pkw geplanten Bau- vorhaben durch konsequente Stan- dardisierung im Bereich Fabrikpla- nung bis jetzt bereits um rund 20 Prozent verringert werden, bei der Automatisierungstechnik immerhin noch um bis zu 12. Überdies lassen sich die Produk- tionsprozesse bereits vor Inbetrieb- nahme der Fabrik rechnerunter- stützt erheblich korrigieren. Auch das schlägt sich in besseren Pla- nungsergebnissen nieder. Das Ergebnis: steilere Anläufe mit zusätzlichen Stückzahl-Erträgen bei geringeren Anlaufkosten. Entschei- dend ist aber, dass sich die Ergebnis- se der digitalen Planung unmittelbar auch auf die Fertigungs- und die Fer- tigungsmaterial-Kosten auswirken. Zur Umsetzung der Digitalen Fab- rik verfolgt die Produktionsplanung konsequent vier ineinander greifen- de Stoßrichtungen: Standardisie- rung, Datenintegration, Workflow- Management und schließlich Auto- matisierung von Planungen. 1. Standardisierung: In der Ver- gangenheit war es zum Teil üblich und manchmal sogar gewollt, jeweils projekt- und standortspezifische Lö- sungen zu entwickeln. Vor dem Hin- tergrund der heutigen Modellvielfalt und zusätzlicher Standorte werden durch dieses Vorgehen Potenziale nicht optimal ausgeschöpft. Heute werden die so genannten ,Best-Practice’-Fälle identifiziert und als Standards verbindlich festgelegt. Die Digitale Fabrik ermöglicht es, Standards parametrisiert zu be- schreiben und über Datenbanken zu verwalten. Im Rahmen der Planung können dann ganze Hallen, Fertigungslinien, Rohbau-Anlagen oder -Zellen bild- lich gesprochen aus diesen standar- disierten ,Legosteinen’ durch Anga- be weniger Parameter zusammenge- baut werden. Produktionsprinzipien sind heute weltweit einheitlich im Mercedes- Benz Produktionssystem (MPS) be- schrieben, zum Beispiel die Monta- gestationen. Der MPS-Gedanke wird durch die Digitale Fabrik in allen Pla- nungen konsequent verankert. Dabei sind die hinterlegten Stan- dards und MPS-Elemente weit mehr als einfache Bilder oder Zeichnungs- elemente. Sie sind intelligente Ob- jekte, die unmittelbar mit entspre- chenden Kennzahlen, zum Beispiel Kosten oder Leistungsgrößen, ver- knüpft sind. Das ermöglicht, Rationalisierungspo- tenziale im Einkauf von Teilen und Anlagen zu erschließen. Ein an- schauliches Beispiel ist in diesem Zu- sammenhang die Beschaffung von Rollenbahnen: Früher wurden diese jeweils neu spezifiziert, ausgeschrie- ben und bestellt. Heute ist es möglich, durch die konzernweite Standardisierung mit den entsprechenden Anbietern Rah- menverträge abzuschließen. Verein- facht dargestellt, erfolgt die Bestel- lung dann über die bloße Längenan- gabe in Metern. 2. Datenintegration: Sie zielt da- rauf ab, in allen beteiligten Pla- ➔ Mit der web-basierten Software ,Powerway’ pusht DC das Qua- litäts-Management und die Zerti- fizierungs-Prozesse bei Kauftei- len. Sie überwacht in Echtzeit spe- zifische Qualitäts-Maßnahmen bei DC und den Lieferanten. In erster Linie werden dadurch die Prozesse bis zur Teile-Freigabe be- schleunigt. Effizienzsteigerungen um bis zu 50 Prozent wurden be- reits nachgewiesen. ren Qualitätsmanagement per Internet Bis zum Herbst will Covisint – die In- ternet-Plattform von DC, Ford, GM, PSA und Renault/Nissan – eine Neu- auflage des Supplier-Portals präsen- tieren: Über eine dann gemeinsame Schnittstelle soll das Portal die On- line-Anwendungen von DC, den Lie- feranten und Covisint integrieren und einheitliche Standards für den Zugang anbieten. Gary Valade, Vorstand für den weltweiten Einkauf von DC, er- hofft sich von der Neuerung den Wegfall zeitraubender Parallel-Be- triebe und unterschiedlicher Schnittstellen. ren Zweite Runde bei Covisint Montage der E-Klasse: Durch die Digitale Fabrik kann der Mercedes-Einkauf endgültig sicherstellen, montagegerechte Teile zu erhalten. Digitale Fabrik verankert das Mercedes-Benz Produktionssystem MPS fest in allen Planungen Ti telsto ry DC Digitale Fabrik / Strategie 8 nungs- und Entwicklungsbereichen in Bezug auf Aktualität, Vollständig- keit und Konsistenz eine erheblich verbesserte Datenqualität zu erzie- len. Alle relevanten Daten werden ge- nau einmal erfasst und über ein Da- ten-Managementsystem verwaltet. Dieses Ziel kann nur durch einen durchgängigen Daten-Backbone er- reicht werden. Dieser bildet quasi das DV-techni- sche Rückgrat der Digitalen Fabrik, das alle geometrischen und alphanu- merischen Daten von der Entwick- lung über die Planung bis in die lau- fende Serie, einschließlich der be- triebswirtschaftlichen Abrechnungs- systeme, aufnimmt. Da die verfügbaren EDM- und ERP-Systeme heute nicht in der Lage sind, diese Aufgabe ausreichend zu erfüllen, sind zunächst Zwischenlö- sungen nötig. Jetzt zahlen sich die Anstrengun- gen von DaimlerChrysler der vergan- genen Jahre aus, die grundlegenden Systeme technisch und methodisch standardisiert und über alle Standorte hinweg auszulegen. Aufbauend auf diesen Systemen, kann der weitere Ausbau der Digitalen Fabrik bereits auf hohem Niveau erfolgen. Voraussetzung für hohe Daten- qualität ist allerdings auch, dass bei den Anwendern ein umfassendes Verständnis für die Zusammenhänge und Methoden vorhanden ist und deshalb bei der Dateneingabe alle er- forderlichen Verknüpfungen herge- stellt werden. Parallel zur unternehmensinter- nen Datenintegration gewinnt mit der zunehmenden Umsetzung der Digitalen Fabrik auch die Integration externer Planungspartner, Anlagen- und Teilelieferanten an Bedeutung. Hierfür müssen die technischen Voraussetzungen erfüllt, aber auch die organisatorischen Rahmenbedin- gungen definiert sein. Derzeit werden – analog zur Vor- gehensweise im Entwicklungsbe- reich – entsprechende Engineering- Portale aufgebaut, die einen direkten Zugriff auf die relevanten Daten er- möglichen. 3. Workflow-Management: Paral- lel dazu arbeitet Mercedes-Benz be- reits heute mit ausgewählten En- gineering-Partnern, etwa den Fir- men COMAU und Schenck, daran, die unternehmensübergreifenden Workflows zu gestalten. Die hierbei gewonnen Erkenntnisse werden anschließend in einem Digitale Fab- rik-Handbuch beschrieben, das die Zusammenarbeit mit weiteren exter- nen Partnern verbindlich regelt. Die Datenintegration alleine ga- rantiert aber noch nicht, dass die er- forderlichen Daten auch zum richti- gen Zeitpunkt für den zuständigen Mitarbeiter verfügbar sind. Aufgrund der Komplexität eines Fahrzeug-Projektes müssen neben der Datenverwaltung vor allem auch die Planung, Steuerung und Über- wachung der Abläufe gewährleistet sein. Um dies zu erreichen, werden in der Digitalen Fabrik eindeutige Arbeitsabläufe, so genannte Work- flows, definiert. Sie stellen sicher, dass die Daten zum richtigen Zeitpunkt in der rich- tigen Detaillierung und im richtigen Zusammenhang zur Verfügung ste- hen. Vor allem Änderungen oder Rückschritte in einem vorausgehen- den Planungs- oder Entwicklungs- schritt müssen hierbei berücksichtigt werden. Im Idealfall bekommt der zustän- dige Planer automatisch die für ihn relevante Information oder eventu- ➔ Jahr -6 Jahr -5 Jahr -4 Jahr -3 Jahr -2 Jahr -1 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Kammlinie Jahr 4 Jahr 5 Jahr 6 Produkt- & Produktionsentstehung I A Produktion Reduzierung Fertigungsmaterialkosten Reduzierung Fertigungskosten effizienatere Bemi-Beschaffung geringeres Invest. effizientere Dienstleister Effizientere Planungsprozesse Ertrags- steigerung Änd.- kosten Nacharb. Mehrmat. Nutzen der Digitalen Fabrik Die durchgehende Digitalisierung aller Produkt-Entstehungs- prozesse eröffnet Potenziale zur Kostensenkung in allen Prozess-Schritten. Die Produktions-Planungszeit sinkt um bis zu 40 Prozent; Planungsqualität und Reifegrad steigen. Helfer für die Digitale Fabrik Angesichts der hohen Komple- xität der Projekte ,Digitale Fabrik’ und angesichts der von Zulieferer zu Zulieferer teils extrem diver- gierenden Ausgangssituationen, kann es ,den’ ultimativen Helfer nicht geben, und jeder Tipp wäre vermessen. Einige Fakten jedoch könnten der Kommunikation bei der Helfer-Su- che dienen. Mit den Firmen COM- AU und Schenck etwa arbeitet DC bereits an ersten unterneh- mensübergreifenden Workflows für die Digitale Fabrik. Und als einen zentralen Partner in Sachen Software wählte Merce- des die Dassault-Tochter Delmia. Ihr Schwerpunkt: Werkzeuge zur Visualisierung von Planungsauf- gaben in der Montage, bei Power- train und im Rohbau. Im Übrigen rüsten sich alle großen Software-Häuser wie T-Sy- stems, IBM, HP, Tecnomatix oder Unity für die komplexe Problem- stellung der Digitalen Fabrik. Auch Berater wie Agiplan oder Edag profilieren sich. ren Zulieferer müssen jetzt ihre Prozesse zügig angleichen Ti telsto ry DC Digitale Fabrik / Strategie 9 elle Änderungen weitergeleitet. Hierdurch werden Änderungen nicht nur dokumentiert, sondern in Echtzeit auch bereit gestellt. Die tatsächlich erlebbare Daten- qualität nimmt zu. Die Grundlage für die Workflow-Definition bildet der MDS-Prozess. Hierbei wird die bishe- rige sequenzielle Arbeitsweise nicht einfach digitalisiert, sondern auf der Basis der neuen Möglichkeiten und Anforderungen weiterentwickelt. Insbesondere die Notwendigkeit, frühzeitig die eigenen Daten an zent- raler Stelle offen zu legen, fordert von allen Beteiligten ein grundle- gendes Umdenken in der bisherigen Zusammenarbeit. 4. Automatisierung von Pla- ➔ 2001 2002 2003 2004 2005 … Baureihe 6 Baureihe 5 Baureihe 4 Baureihe 3 Baureihe 2 Baureihe 1 Kopplung ■ Schnelle Bereitstellung von DV-Funktionalität ■ Automatisierung einzelner Planungsaufgaben ■ Datenaustausch über Schnittstellen Integration ■ Prozesssteuerung über best-practice Workflows ■ Generative Planung ■ Datenmanagement Vernetzung ■ Erweiterte, an MB Workflows angepasste DV-Funktionalität ■ Hohe Automatisierung von Planungsaufgaben Umsetzungsstand/Nutzen Digitale Fabrik ■ Datenaustausch über Verbindungstechnologie Roll-out der Digitalen Fabrik nungsaufgaben: Zeitaufwändige Routinetätigkeiten können – sei es bei der Planung von Arbeitsabläufen oder Anlagen – automatisch erledigt werden. Viele Daten lassen sich bei einer digitalen Planung automatisch aus den bereits vorliegenden Daten generieren. Hierzu zählen etwa Kollisions- und Zugänglichkeits-Betrachtungen, zum Beispiel im Gebäudebereich oder aber bei der Auswahl von Schweißzangen aus einem definier- ten Katalog von Standardzangen. Diese Routinevorgänge benötigen bei einer konventionellen Vorge- hensweise in der Regel die meiste Zeit und sind dennoch nicht selten mit Fehlern behaftet. Erfahrungen aus dem Rohbau-Bereich zeigen, dass bei der ersten manuellen Zuord- nung von Schweißpunkten mit einer nicht zu vernachlässigenden Fehler- quote gerechnet werden muss. Dies verursacht später erhebliche Änderungskosten. Schätzungen be- ziffern die für nicht oder falsch ge- setzte Schweißpunkte nachträglich verursachten Kosten auf über 50 000 Euro, wenn in die Ablauf-Struktur der aufgebauten Rohbau-Anlage eingegriffen werden muss. Weitere Beispiele sind die automa- tische Dimensionierung von La- dungsträgern aus den Fahrzeug-Geo- metriedaten oder Zeitstudien auf der Basis von DMU-Untersuchungen. Mittelfristig besteht die Zielset- zung darin, eine ,80-Prozent-Lö- sung’ der zu planenden Umfänge au- tomatisch ,per Knopfdruck’ erstellen zu können. Die Idee ist hierbei, durch die Variation von einzelnen Parametern praktisch ohne Aufwand in kurzer Zeit alternative Planungs- Szenarien zu entwickeln und mitei- nander zu vergleichen. Das unterstützt die frühzeitige Auswahl der erfolgversprechensten Alternativen und verringert so die Gefahr späterer Änderungen und Fehlinvestitionen. Dieses Vorgehen entspricht zwar mehr oder weniger dem eines erfah- renen Planers. Durch die Digitale Fabrik wird es jedoch möglich, es zu formalisieren und mit den einzelnen Werten auf sehr einfache Weise zu ,spielen’, solange, bis ein optimales Ergebnis gefunden wird. Auch Produktänderungen, die sich während der Entwicklungsphase er- geben, lassen sich dadurch deutlich einfacher in ihrer Auswirkung auf die Produktionsplanung behandeln. Das Ineinandergreifen der vier Stoßrichtungen definiert dann den Gesamt-Workflow. In der Montage- planung wird er bereits operativ ein- gesetzt – gemeinsam entwickelt von DC und der Firma Delmia aus dem Dassault-Verbund. Identische Vorgehensweisen wer- den derzeit zum Beispiel für den Ka- rosseriebau, das Presswerk oder den Bereich Powertrain umgesetzt. Aus- gangspunkt sind die Struktur- und Geometriedaten des Fahrzeugs. Im Rahmen von DMU-Untersu- chungen werden neben den bisheri- gen Packaging-Betrachtungen un- mittelbar auch die planungsrelevan- ten Informationen abgeleitet. Paral- lel zum virtuellen Zusammenbau er- folgt die Überprüfung der Montier- In einer 44-seitigen Broschüre fasst DC die Ergebnisse der globa- len E-Business-Strategie zusam- men. Sie dokumentiert, wie DC das Internet zur Restrukturierung interner und externer Prozesse einsetzt und seine Wertschöp- fungs-Kette von der Vorentwick- lung über die Lieferanten bis hin zum Vertrieb im Rahmen von DCXNET vernetzt. Der Report zeigt auf, in welchem Maß Prozess-Optimierungen, Zeit- und Kosteneinsparungen realisiert werden konnten. Er steht als Download unter www.dcx.net zur Verfügung. ren Der E-Business-Report DaimlerChrysler plant, die volle Umsetzung der Digitalen Fabrik in den heute voraus- gedachten Umfängen bis zum Jahr 2005 abzuschließen. Ingenieure legen ihre Arbeit nicht gerne früh und unfertig vor – sie müssen jetzt umdenken Ti telsto ry DC Digitale Fabrik / Strategie 10 barkeit unter technischen und ergo- nomischen Gesichtspunkten. Ar- beitsvorgänge (AVOs), erforderliche Betriebsmittel (BEMI) und Ferti- gungszeiten werden ermittelt. Die Dokumentation der Ergebnis- se erfolgt in so genannten Vorrang- graphen. Auf dieser Basis wird auto- matisch eine Bandbelegung durch den Rechner ermittelt. Hierbei werden die wesentlichen Planungsrestriktionen, wie Karosse- rieansprache, mögliche Montage-Rei- henfolgen, maximale Taktzeit und andere Kennziffern berücksichtigt. Da im Ergebnis dieses Planungs- schritts alle relevanten Informatio- nen vorliegen – im Wesentlichen muss feststehen, welcher Arbeitsvor- gang mit welchem Material an wel- cher Station ausgeführt wird – kön- nen auch die nachfolgenden Planun- gen automatisch erfolgen. Beispiels- weise eine Layout-Planung oder eine Materialfluss-Simulation. Zwischen den einzelnen Pla- nungsschritten sind jederzeit Rück- kopplungen möglich, um zum Bei- spiel aus dem Zusammenspiel von Prozessplanung und Produktent- wicklung optimale fertigungsgerech- te Lösungen zu entwickeln. Nach rund einem Jahr Projekt- Laufzeit erfolgt bei Mercedes-Benz jetzt bereits der Roll-out der Digitalen Fabrik in die ersten Fahrzeugprojekte. Eine besondere Herausforderung besteht dabei darin, dass die heute am Markt verfügbaren DV-Systeme – in Bezug auf Funktionalität und In- tegration – dem Anspruch einer Di- gitalen Fabrik noch nicht voll ge- recht werden. Das bedeutet: Parallel zum Roll- out muss eine permanente Weiter- entwicklung in Richtung der Daim- lerChrysler-Vision einer Digitalen Fabrik erfolgen. Ziel ist es, nicht erst nach einer langen Spezifikations- und Entwick- lungsphase des kompletten Systems in den operativen Betrieb zu gehen (Hebellösungen), sondern im Rah- men der verfügbaren Möglichkeiten mit abgesicherten Teillösungen früh- zeitig die ersten Potenziale in den be- reits laufenden Fahrzeug-Projekten zu erschließen. Wohl gemerkt: Es geht um die In- tegration sowie die Weiterentwick- lung der bestehenden Welt und nicht um deren Ablösung. Die end- gültige Umsetzung der Digitalen Fab- rik erfolgt daher in drei Stufen, ge- koppelt an die jeweils aktuellen Fahrzeugprojekte. In der momentanen Kopplungs- phase steht eher die schnelle Bereit- stellung der vorhandenen Funktiona- litäten im Vordergrund. Der Daten- austausch erfolgt über Schnittstellen, einzelne Planungsaufgaben können automatisiert durchgeführt werden. Ab Mitte 2002 werden dann sei- tens der Systemhäuser die ersten Funktionalitäten vorliegen, die spezi- ell für die spezifischen Workflows von DC entwickelt wurden und zusätzli- che Funktionsumfänge besitzen. Vor allem bei der Automatisie- rung von Planungsaufgaben werden dadurch weitere Fortschritte erzielt. Hiervon werden die nächsten aktuell in der Planung befindlichen Fahr- zeug-Projekte profitieren. Die volle Umsetzung der Digitalen Fabrik in den heute vorausgedach- ten Umfängen ist für das Jahr 2005 geplant. Ausgehend von den techni- schen Weiterentwicklungen ist dann eine umfassende Steuerung des digi- talen Planungsprozesses über durch- gängige Workflows möglich. Weiterhin soll bis dahin der Auf- bau des Daten-Backbones im Wesent- lichen abgeschlossen sein. Damit wird gleichzeitig die Basis für eine umfas- sende automatisierte beziehungswei- se generative Planung gelegt. Die Digitale Fabrik wird damit eine der zentralen Zukunftstechnologien der nächsten Jahre sein. Sie wird in gleicher Weise wie die konsequente Einführung der geschlossenen CAD- Kette maßgeblich dazu beitragen, die Wettbewerbs-Fähigkeit von Daimler- Chrysler und den Lieferanten in Zu- kunft weiter auszubauen. ➔ Im Jahr 2001 beschaffte DC ein Einkaufsvolumen von rund zehn Milliarden Euro in 510 Online-Bie- teverfahren – also ein Drittel des Volumens, das 2001 in neuen Auf- trägen vergeben wurde. Im Mai 2001 lief das bislang größte Bid- ding: 3,5 Milliarden Euro in vier Tagen. Bei Chrysler wurden insgesamt 43 Prozent des Gesamtwertes der Teile für eine künftige Modellrei- he online verhandelt. Dazu liefen allein im dritten Quartal 2001 über 50 Biddings. Dr. Rüdiger Grube, als stellvertre- tendes Vorstandsmitglied zustän- dig für die Konzernstrategie, will die Preiseffekte, die per Bidding erzielt wurden, nicht beziffern. Aber: Die Durchlauf-Zeiten im Ein- kauf seien damit um 80 Prozent reduziert worden. ren E-Business bei DC OEMs und Digitale Fabrik Alle deutschen Automobil-Her- steller treiben derzeit Projekte im Sinne der Digitalen Fabrik voran. Sie starteten alle im Schnitt vor zwei Jahren. Die einzelnen OEMs setzen unter- schiedliche Schwerpunkte bei ih- rer Vorgehensweise. Was dann natürlich zu unterschiedlichen Implementierungs- und Realisie- rungs-Prozessen führt. Auch die ausländischen Autobau- er ziehen mit. Allen voran Toyota. Die Japaner sehen die Digitale Fa- brik als strategische Evolution des Toyota-Produktionssystems. Toyota dürfte – so erste Insider- Meinungen – bei Genauigkeit und Gründlichkeit bei der Daten-Inte- gration schon sehr weit sein – die Fortsetzung von Lean-production läuft. ren Die Digitale Fabrik gilt als eine der zentralen Zukunfts-Technologien in den nächsten Jahren Titelstory DC Digitale Fabrik / Einkauf 11 Herr Rudnitzki, die Digitale Fabrik kann ihre Vorteile nur bei Durchgängigkeit aller Datenwelten realisieren. Durchgängig also auch hin zu den Mercedes-Lieferanten. Erweitert sich nun die Liste Ihrer Kriterien für einen Einkaufs-Entscheid? Mit ein ganz wichtiges Kriterium war für den Einkauf ja schon immer die Management-Kompetenz unserer Zulieferer. Und da wird es nun natürlich zu einer Er- weiterung kommen. Denn bei dem Zulieferer, bei dem wir bessere Daten-Transparenz und -Konsistenz erhal- ten, müssen wir uns zwangsläufig wohler fühlen. Warum zwangsläufig? Zum einen, weil der Teile- oder der Maschinen-Liefe- rant uns alle avisierten Produkt- und Prozess-Eigen- schaften nun im digitalen Produkt-Datenschatz prozess- technisch belegen kann. Zum anderen favorisieren wir ja ein web-basiertes Einkaufs-Management. Das ist ja nichts anderes, als die Abmachung, digital zusammen- zuarbeiten. Und die Digitale Fabrik ist nichts anderes, als die logische Weiterführung dieser Entscheidung. Also wird die Digitale Fabrik grundsätzlich an der Einkaufs- Philosophie von Mercedes nichts ändern? Richtig. Wir werden uns zusammen mit unseren Zuliefe- rern aber sehr viel früher konstruktiv austauschen, wie das Kaufteil aussehen muss und werden das Kaufteil in digitaler Form ebenfalls sehr frühzeitig zur Simulation in unseren Produktions-Planungsbereich einspielen. Was gewinnen Sie dadurch? Die nötige Zeit für bereichsübergreifende Kommuni- kation. Sprich: Rückkopplung des betreffenden Kauf- teils zu unserer Entwicklung oder zu unserer Produk- tionsplanung. So, wie man sich heute die Entwick- lung nicht mehr ohne CAD vorstellen kann, so wird und muss es bald in allen Planungs-Bereichen sein. Wer sich nicht auf diese neue Welt einstellt, der muss mit klaren Nachteilen im Wettbewerb rechnen. Die Digitale Fabrik sichert einerseits ab, dass der Ein- kauf nur noch das fertigungs- und montagegerechte Bauteil beschafft. Und andererseits kann bereits im Einkauf das Thema Varianz und Komplexität besser diskutiert werden. Und das halte ich für zwingend. Denn beide wirken sich signifikant nicht nur auf die Struktur und die Wirtschaftlichkeit unserer Montage- prozesse aus, sondern auch auf die unserer Zulieferer. Digitale Fabrik als Kosten-Tool? Nicht in dem Sinne, den Sie meinen. Aber die Digitale Fabrik wird Prozess- und Produkteigenschaften mit Prozess-Daten hinterlegen. Damit stellt sie die Preisge- staltung des Kaufteils auf objektive Daten und verdeut- licht, inwieweit ein Preis wettbewerbspolitisch ge- streamt wurde. Die Digitale Fabrik wird alle Zielabwei- chungen klar prozesstechnisch belegen. Auch die Ab- weichung von einem einmal vereinbarten Zielpreis. Somit schafft die Digitale Fabrik den Gläsernen Lieferanten? Durch mehr Transparenz wird die Partnerschaft ge- winnen. Nur eine bessere Transparenz wird im Sinne der Wettbewerbs-Sicherung gravierende Verbesserun- gen schnell erzielen lassen. Die Digitale Fabrik ver- schafft unserem Zulieferer frühere und tiefere Ein- blicke in das Innerste unserer Prozess-Planungen. Aber das sehe ich nicht als einen für uns negativen Ef- fekt, sondern im Sinne von Dazulernen als einen posi- Partnerschaft senkt Kosten Die frühere Einbindung des Zulieferers sieht Einkaufschef Johannes Rudnitzki zusammen mit einem sehr schnellen und weit vor der Hardware einsetzenden, durchgängigen Datenaustausch als Basis für eine neue Qua- lität der simultanen Planung: Das Prinzip der Digitalen Fabrik ersetzt alle sukzessiven Abläufe konsequent und verwirklicht bessere Wirtschaftlichkeiten. Johannes Rudnitzki, Leiter Materialeinkauf Mercedes- Benz Pkw und Smart: „Die Digitale Fabrik benötigt we- niger Iterationsschleifen bis zum endgültigen Produkt. Dies werden auch unsere Zulieferer auf der Habensei- te verbuchen.“ Bild: AP ➔ Der Einkauf von Mercedes-Benz Pkw Johannes Rudnitzki: Leiter Materialeinkauf Mercedes-Benz Pkw und Smart Ola Källenius: Powertrain Harald Brunini: Elektrik/Elektronik Christoph Seyfarth: Interior Robert Schott: Exterior Frank Deiss: Chassis Dr. Gerd Schlaich: Strategie/Controlling Reiner Genes: Smart Joachim Tostdorff: USA Titelstory DC Digitale Fabrik / Einkauf 12 ➔ tiven für alle Beteiligten. Sie sehen die Digitale Fabrik also als Investition in die Zu- kunftssicherung. Investitionen aber bedeuten auch, dass Ka- pital in die Hand genommen werden muss? Fokussiert auf einen Mosaikstein des gesamten Bildes stimmt der Aspekt der Mehraufwendungen. Die sehe ich aber als eine Vorleistung unserer Lieferanten, die wir von ihnen auch erwarten. Und da nicht nur wir das Projekt der Digitalen Fabrik vorantreiben, werden die Zulieferer mit dieser Erwartungshaltung nicht nur im Mercedes-Einkauf konfrontiert. Zulieferer, die Angst vor Transparenz durch Digitale Fabrik haben, leben Partnerschaft nur halb ehrlich. Angesichts sich stetig verkürzender Produkt-Zyklen erhebt sich aber nun ein weiteres Mal für Zulieferer das Problem, kei- nen schnellen Return-on-Investment erzielen zu können? Wenn der Zulieferer in die Digitale Fabrik investiert, investiert er durch die stärkere Prozess-Orientierung und den intensiven und schon ins Vorfeld verlegten Daten- und Meinungs-Austausch in seine Wettbe- werbs-Stärke. Und: Auch wir verdienen Teile unserer Investments nicht sofort. Unsere Lieferanten müssen ihre Fertigungen ebenso optimieren wie wir. Sonst bleiben die Optimierungen partiell und zahlen sich nicht aus. Eine Trennung der Prozess-Welten in inhouse und extern halte ich für nicht mehr zulässig. Wo sehen Sie die dauerhaften Einsparungen, die der Zuliefe- rer durch Investitionen in die Digitale Fabrik realisieren kann? Ich sehe ,savings’ unter anderem durch Prozess-Be- schleunigungen in der Entwicklung, durch Absiche- rung der Fertigungsprozesse, durch Senkung von Hardware-Kosten durch die vielschichtigen Simula- tionen oder auch in der Reduzierung der Musterteile. Wie wird im Rahmen der Digitalen Fabrik eine Zulieferer-Inte- gration aussehen? Der Datenaustausch erfolgt über ein Lieferanten-Portal. Es wird eindeutig definierte Schnittstellen als Grundla- ge des standardisierten Daten-Austauschs geben. Wie wird sich die Digitale Fabrik auf die Lieferanten von Werk- zeugen und Anlagen auswirken? Da gibt es keine nennenswerten Unterschiede zu den Auswirkungen auf die Teile-Lieferanten. Und das gilt – künftig in steigendem Maß – auch für die Zulieferer von Elektronik und Software. ren Tipps für Lieferanten In drei Jahren will DC das Projekt ,Digi- tale Fabrik’ bereits abgeschlossen se- hen. Dazu aber müssen externe Part- ner nach- und mitziehen. IT-Chef Eber- hard Cluss skizziert, wer was wie an- packen sollte: ■ Die IT-Landschaft erweist sich ex- tern und DC-intern als reif für die Digitale Fabrik. Die Basis ist vorhan- den, und nun muss zur Realisierung eine Evolution einsetzen. ■ Einer der ersten Schritte dabei: Die Lieferanten von Planungsleistungen oder Anlagen müssen Vorausset- zungen schaffen, um digital mit DC kommunizieren zu können. ■ Die Digitale Fabrik ist ein klares Pro- zess-Thema. Eine Realisierung kann nur stufenweise über einen Zeit- strahl hinweg erfolgen. Eine so ge- nannte Hebel-Lösung wäre schwie- rig und risikoreich. ■ Das Gesamtkonzept muss sowohl die Software- als auch die Hard- ware-Seite berücksichtigen. Es soll- te sich aus Standard-Bausteinen zu- sammensetzen. ■ Bei Mercedes-Benz Pkw bilden fol- gende Basis-Datenbestände die Grundlage für die Digitale Fabrik: ■ Produkt-Dokumentation/Stückliste, ■ Produktgeometrie-Daten (Catia), ■ Engineering-Data-Management, ■ Werk- und Gebäudedaten (Micro- ■ station-Technologie), ■ Prozessdaten, ■ Betriebswirtschaftliche Daten (SAP). ■ Grundsätzlich empfehle ich, dass bei derartigen Projekten immer zwei Kompetenzbereiche bei der Konzept-Definition eng zusammen arbeiten: der jeweilige Prozess-Ver- antwortliche und ein Verantwortli- cher aus der Informations-Technik (IT). Nur gemeinsam werden beide erfolgreich sein. ■ Prozess-seitig sollte jeweils ein ,Pro- zess-Generalist’ zum Partner der IT bestimmt werden, da nicht einzelne Funktionen, sondern die Gestaltung eines durchgehenden Prozesses im Zentrum der Konzeption stehen. ■ Die Beiträge der IT sind: ■ Einbringung des IT-Know-hows in den technischen Prozess, ■ Festlegung und Erstellung einer IT-Gesamt-Architektur, ■ Überführung einer jeden Projekt- Stufe von der Test- in die Integra- tionswelt und in die Produktions- Umgebung, ■ Gewährleistung der Lieferanten- Anbindung. ■ Ähnlich wie Quality-Gates den Pro- zess der Fahrzeug-Entwicklung ab- sichern, wird die Einführung von IT-Systemen wie die Digitale Fabrik ebenfalls über Quality-Gates überprüft. ■ Als erste Anlaufstelle für die Vorbe- reitungen der Digitalen Fabrik bie- ten sich Systemhäuser an, die be- reits entsprechende Kompetenz aufgebaut haben. ren Eberhard Cluss, Leiter IT Mercedes- Benz Pkw und Smart: „Bei der Planung einer Digitalen Fabrik sollte die Durchgängigkeit des Gesamtkon- zeptes Priorität vor Einzelfunktionen haben.“ Bild: AP Titelstory DC Digitale Fabrik / FuE 13 Herr Dr. Schöpf, 3D-Datensätze gehören in der Entwicklung zum Tagesgeschäft. Bietet Ihnen die Digitale Fabrik Neues? Die Digitale Fabrik setzt das fort, was in der Entwick- lung schon länger Anwendung findet. Für einen durchgängig abgesicherten Produkt-Entstehungspro- zess ist die digitale Definition der Fabrik, in der das Fahrzeug später gefertigt werden soll, eine logische Weiterentwicklung. Auto und Fabrik sozusagen auf Floppy – ist das Ihre Vision? Kurz gefasst: in der frühen Phase, ja. Parallel zum Ent- stehen der Datensätze für das virtuelle Auto oder Aggregat müssen auch seine späteren Fertigungs-Ein- richtungen digital festgelegt und abgesichert werden. Wo liegt der Nutzen dieser Vorgehensweise? Nur eine durchgängige Digitalisierung mit entspre- chendem Datenmanagement ermöglicht die gleichzei- tige Optimierung von Produkt und Prozess. Zudem lässt sich ein schnelles und präzises Änderungs-Mana- gement realisieren. Das sehe ich als großen Vorteil, denn jeder Entwick- lungsprozess kennzeichnet sich durch mannigfaltige Änderungen, die aus dem Markt, der Funktion, dem Wettbewerb oder der Produzierbarkeit resultieren. Was ändert sich konkret? Mit der Digitalen Fabrik werden wir signifikante Vor- teile bei den Kosten und bei der Qualität produkt- optimierender Änderungen erreichen. Ein Beispiel: Die Konstruktion eines Fahrzeugs wird heute zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt in taktgerechte Stationsschritte zerlegt. Umgekehrt wird es die digitale Fabrikplanung ermöglichen, Zielvorga- ben der Konstruktion zur frühen Auflösung in Mon- tage-Taktzeiten zu erarbeiten. Dabei aber sollte man nicht vergessen, dass heute schon etwa bei Motoren und Getrieben sowohl das Bauteil als auch das Werkzeug und der Fertigungs- Prozess simultan konstruiert, berechnet, simuliert und geplant werden. Wir nennen das Engineering Data Management, EDM. Was sehen Sie als Schiene dieses Datenverbundes? Den Willen aller Beteiligten und die sich zunehmend verbreitende Catia-Pipeline intern und bei unseren Lieferanten. Wenn die Digitale Fabrik sozusagen per Knopfdruck Prozesse optimiert, dann fällt diese Tätigkeit ja bei den Ingenieuren weg. Wird die Digitale Fabrik zum Job-Killer? Die komplett virtuelle Welt wird alle Entwickler und Planer dank ihrer Mechanismen von Routinen befrei- en. Rein rechnerisch dürfte der Output um mehr als zehn Prozent steigen. Die frei werdende Kapazität aber benötigen wir dringend für deren Kreativität. Und das ist doch das eigentliche Feld eines Ingenieurs. Die Digitale Fabrik wird nicht zum Abbau von Ar- beitsplätzen führen, sondern zu mehr Effizienz und frühzeitiger Produkt- und Prozess-Reife. Dabei kann ich aber nur warnen: Virtuelle Prozesse verleiten zu dem Glauben, alles liefe von selbst. Aber auch und gerade die virtuelle Welt benötigt hoch- qualifizierte und stark kreative Menschen. Entwickler kommen gerne mit dem fertigen Produkt aus ihrem Kämmerlein. Die Digitale Fabrik aber funktioniert nur bei frühzeitigem Offenlegen? In der Entwicklung läuft das schon so. Dort wird lieber zwei Mal im virtuellen Raum nachgedacht, bevor man das erste Mal Hardware in die Hand nimmt. Diese Denkweise wird nun zunehmend auch in allen anderen Bereichen und bei unseren Lieferanten Einzug halten. Das bedeutet aber auch, dass man sich früher in die Karten schauen lassen muss. Nur so erlangen wir mit der digitalen Welt bestmögliche Wirtschaftlichkeit und Qualität. So zu arbeiten, bereitet unseren Ingenieuren mehr Spaß, als wir ursprünglich dachten. Denn wer ändert schon gerne nach drei Monaten an zehn Stellen, wenn es unter Kenntnis der Zusammenhänge nur ei- ne Änderung nach drei Tagen auch getan hätte? ren Mehr Ideen schneller umsetzen Für Entwickler gehören produktions- und montagegerechte Konstruktion ihres Produktes zum Job. Wie gut sie für die Produktion entwickelten, stellte sich dann beim Anlauf der Fabrik heraus. Diesen Check aber soll die Digitale Fabrik nun ganz am Anfang aller Planungen ermöglichen. Nur so werden für Dr. Hans-Joachim Schöpf neue Ideen und Produkt-Änderungen schnell und wirtschaftlich realisierbar. ➔ Dr.-Ing. Hans-Joachim Schöpf, Entwicklungsvorstand Merce- des-Benz Pkw: Neue Ideen verursachen Änderungen am Prozess, an der Maschine, am Werkstoff. Die Digitale Fabrik wird dazu beitragen, alle Än- derungen zu verringern und wirtschaftlicher ablaufen lassen. Bild: DC Titelstory DC Digitale Fabrik / Fertigung Herr Petri, für Sie als Produktionschef gehört der Umgang mit digitalen Daten – etwa in der Logistik, bei PPS oder CNC- Maschinensteuerungen – längst zum Alltag. Welche Daten soll das Projekt ,Digitale Fabrik’ zusätzlich verschaffen? Es geht bei der Digitalen Fabrik nicht in erster Linie um Datenarten oder um die Generierung neuer Da- ten. Wir starteten das Projekt, da wir ganz klar er- kannten, dass wir mit der Informations-Technologie IT nicht nur die Produkt-Entwicklung optimieren können, sondern den gesamten Prozess der Produkt- Entstehung. Welche Vorgehensweise ergibt sich für die Produktion aus dieser Erfahrung? Wir digitalisieren den gesamten Produkt-Entwick- lungsprozess und werden diesen auf Basis dieser digi- talen Daten komplett und durchgängig vernetzen. Ohne dass auch nur ein Stück Hardware vorliegt, werden wir dadurch das Fabrik-Umfeld, die Infra- struktur der Fabrik, ihre Ausrüstung, ihre Vorrichtun- gen und Werkzeuge sowie die Integration der Teile im Sinne einer Optimierung simulieren können. Das Stichwort wäre also: Optimierung durch Vernetzung? Bislang arbeitete die Produktionsplanung sowohl bei uns wie auch bei unseren Komponenten- und Maschi- nen-Lieferanten in einer Welt, die sich durch viele In- sellösungen kennzeichnete. Jeder simulierte und opti- mierte dort für sich: der Produktionsplaner, der Anla- genlieferant, der Logistiker, der Teilehersteller. Und jeder setzte dazu sein spezielles Tool ein. Diese Vielfalt aber führt zu Ineffizienzen ebenso wie zu Kom- munikations-Brüchen. Und daher geht es nun darum, diese gesamte Landschaft durchgängig zu gestalten. Und zwar unter Sicherstellung des permanenten Echt- zeit-Zugriffs auf die Gesamtheit aller Datenmengen durch jeden an der Produktentstehung Beteiligten. Nun existiert ja das MPS Mercedes-Produktionssystem, auf dessen Basis der SL im Werk Bremen sehr erfolgreich anlief, und alle Folgetypen – wie aktuell die neue E-Klasse – anlaufen werden. Bis Ende 2002 soll es in alle Werke implementiert werden. Muss es angesichts des Projektes ,Digitale Fabrik’ umgeschrieben werden? Unser MPS lebt in erster Linie von der konsequenten Standardisierung aller Prozesse. Gerade sie ist eine Grundvoraussetzung, um diese digital abbilden zu können. Damit ist MPS eine Grundlage für die Digita- le Fabrik. Also ändert die Digitale Fabrik grundsätzlich auch nichts an bewährten Fabrikstrukturen oder Automationsgraden? Nein. Beispielsweise bleibt etwa die generelle Struktur eines Roboters oder einer Montageeinrichtung erhal- ten. Die durchgängige Vernetzung bei der Digitalen Fabrik aber optimiert alle Einrichtungen und Prozes- se, verbessert daher die Prozessqualität und somit die Produktqualität. Wir werden beispielsweise auch sehr viel sicherer festlegen können, wo wir mehr oder we- niger automatisieren müssen. Durch Fabrik-Simulation im Vorfeld? Entscheidend ist, dass wir auch Details frühzeitig digi- tal definiert erhalten. Jedes Zulieferteil etwa muss in seiner digitalen Definition auch bereits die Machbar- keits-Nachweise hinsichtlich des Werkstoffes, des Werkzeugs, der Fertigungsprozesse und hinsichtlich der kollisionsfreien Montagefähigkeit enthalten. Alle einzelnen Datenpakete werden dann gegeneinander gespielt und bei Nichtharmonie unter rückkoppelnder Vernetzung mit allen anderen Details optimiert. Jeder Beteiligte wird sich dann aber sehr früh öffnen müssen? Es entsteht eine neue Qualität des Simultaneous Engineering. Wer an einem Tag seinen Anteil am Pro- jekt um zehn Prozent voran bringen konnte, gibt die- se zehn Prozent abends per digitalem Datensatz an al- le anderen weiter. Und die können damit sofort wei- ter arbeiten. Und sparen damit viel Zeit und unnötige Hardware-Änderungsschleifen. ren 14 Integration als Zukunftssicherung Helmut Petri, Produktionsvorstand von Mercedes-Benz Pkw, erklärt den Zwang zur Digitalen Fabrik mit einer Metapher: Eine Fabrik ohne IT-Systeme sei wie ein Mensch ohne Sprache. Und eine Fabrik ohne durch- gängige Vernetzung ihrer vielen IT-Systeme sei wie ein gut trainierter Körper, dem die Nervensysteme zum Ansteuern und Ein- setzen der ausgebildeten Muskeln fehlen. Mercedes-Benz Pkw-Pro- duktionsvorstand Helmut Petri: „Es wäre kontrapro- duktiv – wie bei 3D-CAD schmerzlich gelernt –, wenn jeder OEM und jeder Liefe- rant nun sein eigenes Sys- tem für die Digitale Fabrik aufbauen würde. Sinnvoller- weise müssen branchenwei- te Standards entstehen.“ Bild: DC ➔ Titelstory DC Digitale Fabrik / Strategie 15 Herr Dr. Haller, warum halten Sie das Projekt ,Digitale Fabrik’ für so elementar im Sinne der Wettbewerbs-Fähigkeit? Durchgängige Digitalisierung – von der Vorentwick- lung bis hin zum Vertrieb – verkürzt bei uns ebenso wie bei unseren externen Partnern die Prozesse und schafft Transparenz. Zurückhaltend geschätzt, rechne ich damit, durch die Digitale Fabrik Produktions-Pla- nungsprozesse um bis zu 40 Prozent verkürzen zu können. Zudem trägt die Digitale Fabrik dazu bei, auch Neu-Anläufe schneller zu realisieren und die Anlauf- kurve extrem steil und stabil verlaufen zu lassen. Datentransfer aber ist doch nichts Neues? Er erfolgte bislang aber weitgehend manuell auf Basis verschiedener Systeme sowie uneinheitlicher Daten- formate. Und fehlende Rückkoppelungen ließen Än- derung aufwändig und kostspielig werden. Wenn bei- spielsweise ein Produktionsplaner heute Daten aus dem CAD extrahiert, dann muss er sie erst mit entspre- chend viel Aufwand aufbereiten. Mit der Digitalen Fa- brik wollen wir diese Hürden beseitigen und auch ein effizientes Änderungsmanagement realisieren. Stichwort wäre also eine synergetische Daten-Vernetzung? Seit Jahren schon arbeiten unsere Planungsbereiche – also die Gewerke- und Fabrikplanung – konsequent mit für die Digitale Fabrik geeigneten Einzelmodulen. Jetzt aber kommt es darauf an, dass die Digitale Fabrik diese Inseln durchgängig vernetzt und alle Daten dau- erhaft integriert. Das Know-how wird darin stecken, wie das Datenmanagement alle jeweils notwendigen Daten durchgängig in der Gesamt-Prozesskette ver- fügbar und operativ nutzbar aufbereitet. Lässt sich diese Vernetzung an einem einfachen Beispiel, etwa einem Kotflügel, darstellen? Ein Konstrukteur definiert etwa die Form des Kotflü- gels digital. Zugleich legt er den Werkstoff fest. Per Rückkopplungen geschieht nun Folgendes: Zunächst werden die Materialeignung und der Produktionspro- zess mit digitalen Methoden überprüft. Mit diesen Er- gebnissen kann dann der Werkzeug-Hersteller das Werkzeug digital konstruieren und der Pressen- Lieferant seine Anlage auslegen. Alle am Planungsprozess Beteiligten kommunizieren in einheitlichen Datenformaten per definierten Work- flows miteinander. Und muss nun beispielsweise eine Werkstoff-Änderung durchgeführt werden, dann kommt diese Information in Echtzeit beim Werkzeug- Hersteller ebenso an wie beim Kotflügel-Konstrukteur und beim Planer der Produktions-Prozesse. Darüber hinaus wird es automatisiert auch Rückkoppelungen von Erfahrungswerten aus der laufenden Serie geben, die dann in den Planungsprozess für das neue Fahr- zeug einfließen. Wird die Digitale Fabrik die Freiheit Ihrer Komponenten-, Maschinen- und Software-Lieferanten einengen? Im Gegenteil. Da Prozesse, Methoden und Elemente als verbindliche Standards in der Digitalen Fabrik be- schrieben und in Datenbanken hinterlegt sind, kön- nen erste Planungen unter Angabe weniger Parame- ter weitgehend automatisiert erfolgen. Zeitraubende Routinen werden in den Rechner verlagert, und es entstehen spürbare Freiräume für Kreativität bei der Gestaltung des Produkts und seines Fertigungsprozes- ses. Damit zeigt sich bereits in der Konzeptphase, ob und wie ein Fahrzeug produziert werden könnte. Eventu- elle Probleme im späteren Fertigungsprozess können digital erkannt und gelöst werden, lange bevor eine Anlage oder ein Auto in Hardware aufgebaut werden. Bereits viel früher erreichen wir so ein reiferes Fahr- zeug und zugleich eine erheblich bessere Qualität der künftigen Fertigungsprozesse. Wie sieht Ihr Zeitplan für die Digitale Fabrik aus? Aktuell laufen auf der Montageseite die ersten Work- flows komplett digitalisiert, sodass die Fabrikplanung damit effizient arbeiten kann. Schon 2005 wollen wir eine nahezu hundertprozentige Digitalisierung unse- rer Planungsprozesse erreichen. ren Mehr Effizienz durch digitale Welt Mit einer Workflow-orientiert durchgängig digitalen Welt will Prof. Dr. Eberhard Haller, bei Mercedes-Benz der Leiter Produktionspla- nung Pkw, in seinem eigenen Bereich die Planungszeit um bis zu 40 Prozent ver- kürzen. Eine ähnliche Entwicklung erwartet er durch die Digitale Fabrik auch bei den Lieferanten. Prof. Dr. Eberhard Haller, Lei- ter Produktionsplanung Mercedes-Benz Pkw: „Wir sehen die Digitale Fabrik als globales Projekt. Es integ- riert bereits in der ersten Phase auch die Kollegen von Chrysler und unsere Auslands-Standorte.“ Bild: AP ➔ Management Digitale Fabrik Herr Dr. Menges, das von Ihnen und zwei Partnern 1989 ge- gründete Software-Unternehmen Delta erwies sich als so kompetent, dass sich ein Software-Riese wie Dassault enga- gierte? Wir hatten uns vom Start weg auf die Datenwelt im Fabrikbereich spezialisiert, und die Planung effizienter Produktions-Systeme als unser Geschäft definiert. Wir entwickelten Software-Tools zur komplett durchgän- gigen Digitalisierung und Vernetzung von Fertigungs- Planung, Fertigungs-Simulation und Produktions- Prozessen... ...die Dassault fehlten? Ja. Nachdem Dassault mit Catia über eine Software- Familie zur Produktgestaltung und mit Enovia über eine für das Verwalten und Verteilen aller Produkt- Daten entlang des gesamten Produkt-Lebenszyklus verfügte, fehlte in der Tat der Fabrikbereich. Delmia bietet keine Planungsleistung an, sondern stellt Tools für Dienstleister zur Verfügung, die Fabrik-Prozesse planen? Im Grunde ja, wenngleich auch Delmia Planungsleis- tungen erbringt. Die jedoch ausschließlich im Sinne ,Realisierung der Digitalen Fabrik’. Und dort bieten wir unseren Kunden dann Resident Engineers für den Prozess der Umstellung auf Digitale Fabrik an. Die analysieren die Fertigungs-Prozesse, definieren sie neu, damit sie nach der Software-Implementierung die richtigen und nötigen Abläufe aufweisen. Und wie hängen Delmia und T-Systems zusammen? T-Systems arbeitet als Berater. Und seit 1993 erarbei- tet T-Systems auf Basis des Dassault-Portfolios kom- plexe Digitalisierungs-Lösungen, die vom Produkt- Design über die Produktions-Planung bis hin zum Da- tenmanagement reichen: plan – built – run. Derzeit realisieren die Automobil-Hersteller der Welt jeder für sich das Projekt ,Digitale Fabrik’. Daran sollen und müssen im Sinne der System-Effizienz natürlich die Lieferanten an- docken. Von CAD her aber fürchtet die Branche zu Recht den Zwang, nun viele verschiedene Systeme aufbauen, bezahlen und beherrschen zu müssen? Alle Beteiligten wissen heute, dass Standort- und Fir- menübergreifende Standards entstehen müssen, denn die Branche konnte aus dem CAD-Chaos lernen. Ein weiterer Aspekt, der gegen eine System-Vielfalt spricht: Weltweit werden rund 80 Prozent aller Fahr- zeuge mit Catia entwickelt. Und erst kürzlich, Mitte März, meldete Toyota, künftig bei der weltweiten Fahrzeug-Entwicklung die 3D-PLM-Lösung von Das- sault und IBM, also Catia, Enovia und Delmia, einzu- setzen. Wer die Digitale Fabrik auf Catia-Basis startet, wird nichts verschwenden oder verpassen. Was sehen Sie als Zwänge zur der Digitalen Fabrik? Alle Automobil-Hersteller werden künftig ihre Pro- duktpaletten weiter stark ausweiten und damit die Varianten-Zahl erheblich steigern. Das schlägt 1:1 auf die Zulieferer durch. Mit den jeweils bestehenden Mannschaften kann diese Vielfalt nur noch dann ver- wirklicht und beherrscht werden, wenn dazu innova- tive und ganz andere Tools verwendet werden. Denn – so der zweite Zwang – die bestehenden Teams wer- den mit Sicherheit kaum erweitert, müssen aber trotzdem in kürzerer Zeit mehr Planungen in besserer Qualität realisieren. Und die simple Anschaffung einer Software wird helfen, diese höchst anspruchsvollen und letztlich zukunftssichernden Zie- le zu erreichen? Es geht doch bei der Digitalen Fabrik nicht ausschließ- lich um Software. Es geht vordergründig um die Suche nach geeigneteren Arbeitsmethoden. Und erst im Rah- men dieser Suche geht es dann natürlich auch um dafür geeignete Werkzeuge, die in verkürzten Zeiträu- 16 Dosiert einführen Zwar existieren auch einige wenige Inhouse- Lösungen, den breiten und öffentlich zu- gänglichen Weltmarkt für Software-Tools zur Realisierung der Digitalen Fabrik aber teilen sich nur zwei Anbieter: Delmia und Tecnomatix. Jede Software für die Digitale Fabrik sollte – so Delmia-Chef Dr. Raimund Menges – dosiert, sowie firmen- und produktspezifisch angepasst werden. Dr.-Ing. Raimund Menges, Geschäftsführer der Delmia GmbH in Fellbach: „Wer einen Software-Standard imple- mentiert, erreicht damit noch gar nichts. Jeder Standard muss auf die jeweiligen betrieblichen Belange hin modi- fiziert werden. So wie ein Autofahrer erst Sitz, Spiegel und Lenkrad auf sich einstellen muss, um mit einem Neu- wagen richtig fahren zu können.“ Bild: Delmia ➔ Management Digitale Fabrik 17 men mehr Planungsprozesse in höherer Qualität bei bestehender Manpower realisieren helfen. Digitale Fabrik also als Organisations-Methode? Das wäre viel zu wenig. Im Sinne der soeben skizzier- ten Zielsetzungen wird es sinnvoll, dass ein Lieferant das Tool seines Auftraggebers einsetzt, um Format- Gleichheit herzustellen. Und dank derer kann nun der eigentliche Trumpf der Digitalen Fabrik ausgereizt werden: Sie – und nur sie – bereitet das gesamte Pro- zess-Wissen für alle Beteiligten so transparent auf, dass kein Kostenziel mehr gefährdet wird. Denn die Software ermöglicht nicht nur, sehr schnell den Ab- weichler vom Target-Costing zu ermitteln, sondern erlaubt durch ihre Simulations-Kompetenz auch die schnelle und wirtschaftliche Suche nach zielführen- deren Strategien beziehungsweise Prozessen. Welche Nutzen-Effekte können Sie aus Ihren bisherigen Pro- jekten ableiten? Wie gesagt: ein weitaus besseres Target-Costing, teils um Stunden verkürzte Fertigungs- und Montagezei- ten, spürbar steilere Anläufe und eine nachweisbar gestiegene Qualität in der Prozess-Planung, im Prozess selbst und beim im Prozess entstehenden Produkt. Wie lässt sich das bessere Target-Costing konkretisieren? Unserer Erfahrung nach ermöglicht die sehr enge und durchgängige Vernetzung von Industrial Engineering mit der Fertigungs-Planung nicht nur, dass Defizite in der Planung um bis zu einem Jahr früher erkannt werden, sondern auch, dass sie sich ohne großen Kostenaufwand beseitigen lassen. Sie benutzten vorher das Wort ,Arbeitsmethode’. Sehen Sie al- so Digitale Fabrik weniger als Technologie-Thema und dafür mehr als Kopf-Thema? Ja. Digitale Fabrik integriert die Prozesse, die heute in vielen Köpfen ablaufen, so eng, dass jeder an der Pro- duktentstehung Beteiligte sehr schnell Zugriff auf die komplette Datenwelt nehmen kann. Das ist nichts an- deres als Simultaneous Engineering, wozu alle aber möglichst zeitgleich über einen einheitlichen Wis- senstand verfügen müssen. Dank der Automatik der Software-Tools werden die Planer nun methodischer, also präziser, formulieren und definieren. Können Sie den Nutzen der Digitalen Fabrik in Cent und Euro bewerten? Das hielte ich für unseriös. Zumal im deutschen Auto- mobilbau ja noch kein Modell durchgängig mit der Systematik der Digitalen Fabrik entstand. Solch ein Projekt wird erst im Herbst vorliegen. Auch wenn wir teilweise die Planungsaufwendungen um bis zu 50 Prozent senken konnten, sehe ich das nicht als den Punkt des Nutzens. Der Nutzen liegt viel- mehr darin, dass – wie schon erläutert – nur mit den Tools und Denkweisen der Digitalen Fabrik die wach- senden Planungsaufgaben bewältigt werden können. Warum besteht draußen Angst vor der Digitalen Fabrik? Unsere Kunden kommen nicht aus Angst, sondern wegen ihres Wunsches nach besserer Wirtschaftlich- keit zu uns. Fakt jedoch ist, dass die Tools zur Digita- len Fabrik Defizite der Planungspartner gnadenlos mit teils automatisierten Software-Schleifen aufdecken. Aber gerade in dieser Transparenz sehen unsere Kun- den eine Chance und nicht eine Gefahr. Wie viel Geld wird ein Zulieferer in die Hand nehmen müssen, um die Digitale Fabrik herzustellen? In Form einer unternehmensweiten Hauruck-Aktion sollte er es auf keinen Fall versuchen. Er wird auch nicht die komplexen Umfänge benötigen, wie ein OEM. Und er sollte nicht in vorauseilendem Gehor- sam ganz hektisch Digitale Fabrik realisieren wollen. Ein Mittelständler sollte vielmehr die Digitale Fabrik in einer Keimzelle starten und von dort aus evoluto- risch ausweiten. Ein guter Berater kann diese Keim- zelle zweifelsfrei und höchst unternehmens- wie auch produktspezifisch erkennen. Für zwei Arbeitsplätze mit einer im Wesentlichen vor- figurierten Software sowie zehn bis 20 Manntage für Schulung, Training und Implementierungs-Beratung müsste man mit schätzungsweise 50 000 Euro hin- kommen. ren ➔ Geboren: 1960 Studium der Luft- und Raumfahrt-Tech- nik an der Uni Stuttgart Promotion am Fraunhofer-Institut IAO 1989: Gründung der Delta Industrie In- formatik GmbH zusammen mit den Part- nern Dr.-Ing. Klaus Lay und Uwe Rettich. 1999: Nach der Fusion der Delta mit der Engineering Animation (Iowa/USA) zur EAI-Delta GmbH: Vice President Europe der EAI-Delta 2000: Geschäftsführer Delmia GmbH, Fellbach Vita Dr.-Ing. Raimund Menges Delmia im Datenspiegel Mitarbeiter weltweit: 523. Davon in Asien 140, in den USA/Kanada 185, in D 135 und in Rest Europa 63 Umsatz 2001: k.A. Automotive-Aktivitäten 10 000 Arbeitsplätze (user) für Digitale Fabrik bei 500 Kunden installiert Historie Dassault Systèmes erwarb EAI-Delta im März 2000. Zuvor hatte Dassault 1997 den amerikanischen Digital Manufacturing-Spezialisten Deneb Robotics gekauft und 1999 den kanadischen Anbieter von Tech- nologien zur Menschmodellierung, Safework. Die drei Unternehmen wurden dann im Juni 2000 zur selbstständigen Dassault-Tochter Delmia Corp. mit Hauptsitz in Troy/Michigan verschmolzen.